Gewinner wie aus dem ff – filip vor Franzi am 54. MuSoC
Es ist der Donnerstag nach Aschermittwoch. Alles ist vorbei, die Stadt liegt im Koma. Diejenigen, die ihren Rausch ausschlafen mussten oder sich bis Ostern Musikfasten vorgenommen haben, haben leider einen fantastischen MuSoC Abend verpasst, der unglaublich vielfältig und international und voller musikalischer Bonbons erster Güte war. Nachdem wir im Briefing vor der Show im Backstagebereich alte und viele neue Gesichter begrüßen konnten ging es wie gewohnt um auf die Sekunde genau zwischen Acht und Viertel nach Acht los.
Im Februar MuSoC musste ich leider passen, ich hatte die Grippe. Zum Glück durfte ich jetzt wenigstens Nektar Sofia als opener in diesem MuSoC erleben. Das Licht ging aus und ganz ohne Ansatz fing die zweitplatzierte des Februar Slams an, zu griecheln. Mit ihrer wunderbaren klaren Stimme und der leicht melancholisch-griechischen Singer-Songwriter Tonation hat es mich dann gleich zu Beginn schon leicht weggetragen. Ich muss zugeben, ich habe in meinem Leben zuviel Pyx Lax gehört und in der Ägäis gebadet. Nektar Sofia wechselte ohne Bruch zwischen griechisch und deutsch um dann den dritten Song ganz ohne Gitarre zu singen.
Der erste Künstler, filip, ist ein geneigter MuSoC Bekannter. Im Tollwood MuSoC Sommer Spektakel 2017 sang er schon mit Peter Fischer und Aynie um die Wette um jetzt mit neuem Elan und ein Mehr an Erfahrung wieder mal einen Abend zu bestreiten. Und er drehte sich mit Unterstützung des Publikums prosaisch im Kreis, um die besungene on-off-zukünftige-ex-Freundin herum.
Franzi ist ein neuer Stern am MuSoC Himmel. Musikalisch von Haus aus, die Gitarre und das Klavier beherrschend, hatte sie hier das erste Mal die Gelegenheit, eigenes Material vorzustellen. Und sie öffnete die Kiste des Lebens einer 20-jährigen und ließ dabei allerlei Träume herauspurzeln, die sie für uns dann vertonte. Am Klavier machte sie dann als letztes das Licht aus. Zum Glück nicht wirklich.
Ein bekanntes Gesicht war Rod Fritz. Und man muss nur “der ist Australier” sagen und kann sich schon genau vorstellen, welche Art der easy-peasy-surfer-beach-party Musik da kommt: bababap-dubidubididu. Life is a beach, tralala.
Die Nummer 4 war Flo Rotter aus Rosenheim, wo auch schon Weltkarrieren begannen (begonnen haben sollen). Flo brachte eine Nummer von Ryan Adams (der ohne B) und eine eigene auf die Bühne. Seine Beobachtungen der Sternzeichen fasste er im Song Miss Capricorn (Sternzeichen Einhorn? Nein, Steinbock) zusammen.
Serkan Özkan präsentierte uns im 54. MuSoC nun das erste Mal eine Saz. Waz um Himmels Willen ist eine Saz? Ich schloss die Augen und hörte den Klang der Ferne, zuerst ziemlich südlich, dann ein bisschen nach Osten. Es ist der Sound, den ich aus dem Basar in Marmaris im Ohr habe und der dann durch Anatolien, durchs wilde Kurdistan bis nach Persien reicht und sogar zum Kaukasus. Ich machte die Augen wieder auf und sah einen langen Hals und einen kleinen Klangkorpus und wunderte mich wieviele Töne aus dem Ding gleichzeitig kommen. Serkan öffnete seine 6 Minuten Storytelling-Zeit mit einem Vers über Derwische um dann ein Saz-Feuerwerk abzubrennen. Ich muss zugeben, ich wurde spontan zum Fan.
Nicht minder virtous und ohne Gesang konnte E-Punkt Dresch uns dann seine musikalische Interpretation des Frühlings vortragen. Als gebürtiger Brasilianer hat er sicherlich den Winter erst hier im kalten Mitteleuropa kennengelernt und damit ist sicher auch zu erklären, warum sein Frühling auf 12 Saiten deutlich komplexer war als der one-note Samba. Sebastian Klein vom MuSoC Team am Ton- und Lichtpult hat sich jedenfalls gefreut, dass hier ein potentieller Nachfolger auf der Bühne saß, konnte er doch als bisher einziger allein mit Gitarre und ohne Gesang einen MuSoC gewinnen.
Der vorletzte Act war der Mann am Klavier, Michael Benker. Er hat wohl das ruhigste und langsamste Programm des Abends vorgetragen. Getragene Balladen, jeder Ton dosiert und genau gesetzt, der Ruhepuls bei 40, Frieden und Glück für jedermann. Michael war begeistert, dass das Publikum in der Drehleier wirklich zuhört. Aber, lieber Michael, so kennen wir das jetzt seit 54 MuSoCs.
Auf ein neues, sagte sich Cat und meldete sich wieder an. Die 16-jährige mit ihren Songs aus dem (eigenen) Leben ist uns 2018 aufgegangen und hat sich regelmäßig in die vorderen Platzierungen gesungen. Da wächst eine tolle Songwriterin heran. Musikalisch hat sie es eh drauf, hat sie doch im Alter von 7 schon Fagott gelernt. Ihr zweiter Song, don’t play with my feelings, ist gerade tagsüber erst fertig geworden. Nächstes Mal wollen wir aber Fagott.
Nach 8 Acts ist wie immer Pause. Es wird gewählt. 1,2 oder 3. Du musst dich entscheiden, 3 Boxen sind frei. Der MuSoC hat Wahlbeteiligungen, da träumen westliche Demokratien von.
In der Auszählpause durften wir am März-MuSoC einen Gast begrüßen, auf den ich mich immer ganz besonders freue: Volker Keidel. Ich durfte den Autor und Fussballberufsverrückten bereits zum dritten mal in Aktion fotografieren. Aber zunächst muss ich mich hier einmal zu meiner eigenen Herkunft bekennen, nämlich Hamburg. Und Volker ist in sportlicher Hinsicht ganz besonders mit meiner Heimatstadt verbunden. Der gebürtige Unterfranke verbringt seine Wochenenden gerne und oft im 800 Kilometer entfernten Volksparkstadion, um seinen HSV zu unterstützen. Das ist echte Liebe. Und auch ich war in den 80er Jahren als Kind mit Vaddern häufiger im alten Volkspark, um dann in meiner Studentenzeit zu dem anderen Club zu konvertieren. Dafür habe ich mir dann prompt von der Bühne einen relativ schlechten Witz eingefangen. Aber es geht mir doch immer das Herz auf wenn Volker liest, denn anders als in München ist die Stadt nicht zu klein für zwei Clubs und viele seiner Geschichten riechen für mich nach zuhause, nach Fischbrötchen und Bier. Und ich bilde mir immer ein, ich verstehe die vielleicht ein klitzekleines bisschen mehr als die anderen im Saal, die noch nie im Manni-Kaltz-Sportpark Socca5 gespielt haben. Aber genug der Schwelgerei, nur noch ein Satz zum Thema von mir: der HSV gehört in die erste Liga, das ist mal klar. Volker las natürlich über seine Lieblingsthemenkombination Fussball und Bier und erzählte uns, wie er in einer kompletten Saison im letzten Spiel zu seinen ersten und einzigen 20 Spielminuten und danach mal direkt zu einer viermonatigen vereinsinternen Sperre gekommen ist. Aber auch zwischenmenschliches wird schonungslos thematisiert, z.B. wenn es über gänzlich unterschiedliche Einstellungen zum Hygge-Abend geht und sich Beziehungskrisen ergeben, weil man es sich allzu hyggelig, also gemütlich machen will. Mein Rat an Euch: kauft Volkers 4 Bücher und lest sie Euch vor und wenn Ihr damit durch seid, gibt es nächstes Jahr sein neues.
Aber zurück zum MuSoC Kernthema und der großen Frage, wer den Abend die meisten Stimmen ergattern konnte. Nachdem Cat sich mit einem Punkt vor Serkan den dritten Platz ersungen hat, blieben noch Filip und Franzi übrig. Filip hatte für uns in seinem Zugabeset noch einen schönen Gedanken in petto und brachte einen Song aus einem Speed-Songschreiber Contest in Karlsruhe mit, in dem in 15 Minuten ein Lied mit 5 vorgegebenen Worten kreiert werden musste. Beachtlich, dass Margarete und Frank und vor allem filip selber nicht sprachlich an der Finanztransaktionssteuer verzweifelt sind. Franzi hingegen spielte auf Schienen durchs Land für ihre 18-jährige Schwester, die zur Zeit ein Jahr in Tanzania ist und die ihr als musikalische Partnerin in dieser Zeit fehlt.
Am Ende war es filip, der nach tollen Auftritten in 2017 nun einen MuSoC einmal für sich entscheiden konnte. Er freute sich, dass sein Song für Karlsruhe hier in München funktionierte. Und dass er im April den Abend eröffnen darf.
Ein toller Abend in der Drehleier ging zu Ende und es war wieder sehr schwer, sich zu entscheiden. Eine super Mischung der Stile und absolut kurzweilige, anspruchsvolle Songs haben 8 Sieger verdient. Aber nur einer kann den Job am Ende machen.
Im April werden wir nicht nur am 4.4. wieder unseren MuSoC in der Drehleier sehen und hören, sondern bereits zwei Tage vorher, am 2. April wird es einen ganz besonderen Abend geben, auf den hier hingewiesen sei. MuSoC Mastermind Alex Sebastian konnte Musiker von absolutem Weltrang nach München lotsen. Wir freuen uns auf den Drummer von Peter Gabriel, Paul McCartney und Elvis Costello, aus Woodstock, USA: Jerry Marotta. Er macht mit seinem Soul Redemption Projekt eine Europa-Tournee und schaut in München vorbei. Kommen und weitersagen. Unbedingt. Es wird ein großer musikalischer Leckerbissen.
2. April 2019, 20h: Jerry Marottas Soul Redemption Tour, support by Alex Sebastian
4. April 2019, 20h: Munich Song Contest #55 in der Drehleier