Ergebnis der 95. MuSoC Studie: Die Münchner Schule ist die Beste!
Es herbstelt. Mit Freude nehme ich die Vorankündigung meines geschätzten Schreiberkollegen Michael Erle auf, denn mein persönliches Tagwerk, ja quasi meine Sisyphos-Aufgabe in diesen Tagen und Wochen ist das Aufsammeln des Laubes in unserem Garten und vorn an der Straße. Und ja, tut mir leid, aber da geht es tatsächlich auch um eine Erle. Aber wir erinnern uns: Sisyphos, der Korintherkönig aus dem Antiken Griechenland rollte den Stein den Berg hinauf, nur damit er auf der anderen Seite wieder hinunterrollt. Und das immer und immer wieder. Ich fege heute den Weg, harke das Laub und packe 5 Säcke an den Straßenrand, nur um morgen wieder zu fegen, zu harken und die nächsten 5 Säcke zu füllen. Und übermorgen. Und nächste Woche. Aber im Gegensatz zur ewigen Strafe des Hermes setzt die Stadtreinigung uns ein hartes Ende, denn am 17. Dezember werden die letzten Säcke abgeholt. Dann muss der Laub-Job erledigt sein.
Ein weitaus schöneres Gefühl ewiger, regelmäßiger Wiederkehr, und das hoffentlich ohne ein hartes Ende, ist unser MuSoC Song Slam, können wir doch nun schon zum 95. Mal den Abend mit acht tollen Acts aus allen Stilrichtungen genießen und bejubeln. Im Blick zurück gedachte Herr Bohlmann den Anfängen des Slams, als er selber noch Teilnehmer war. Den Anfang des ersten Münchner Songslams machten seinerzeit der Rol und der Herr Sebastian. Wir denken an den Rol, der uns inzwischen leider von weiter oben anschaut. Alles Gute, Rol. Sing your songs in heaven.
Der Abend beginnt wie immer genau irgendwann nach Acht. Ich sitze vorm Stream, die Vorspannmusik beginnt. Die Bühne ist dunkel. Wir hören Stimmen. Und dann sind sie da, die beiden Showmaster des Abends, die Kulenkampffs der Münchner Song Slam Szene. Und das ist ein großes Glück, denn die Grippewelle schwappt durchs Land und schlug wieder schneisen durchs Lineup, aber zum Glück blieben die Herren Bohlmann und Sebastian verschont. Leider aber müssen wir auf Naturalistic Vibes und felsongwriter verzichten. Es rückte jemand nach, aber davon im nächsten Absatz mehr. Let there be Rock.
Einer muss den Job ja machen. Und manchmal sogar mehr als den einen. Der gute Abraham Shoutsider wollte eigentlich nur helfen. Als felsongwriters etatmäßiger Gitarrist krankheitsbedingt ausfiel, sagte Abe spontan zu, sie zu unterstützen. Dann fiel der Haus- und Hoffotograf aus und er bot sich an, zu knipsen, irgendeiner muss ja die Bilder zu diesem Text produzieren. Als dann auch noch felsongwriter selber kurzfristig absagen musste, erklärte er sich spontan bereit, den Slot auch solo zu bestreiten. Einsprungmusiker und Fotoreporter, der Trend geht schon länger zum Zweitjob. War die Botschaft seines Songs “I got to go” deshalb so subtil gesetzt? Wir hoffen für diesen Abend, daß er zumindest bis zum Ende bleibt und auch, daß es ein Wiedersehen gibt mit ihm, vielleicht ja als Support von felsongwriter.
Der zweite Act ist ein Wiederholungstäterduo: Green Exit nennen sich Sebastian und Nicolas und wir haben sie bereits im 92. Song Slam gesehen. Damals war die Anzeigetafel fast zu klein für den kompletten Namen Green Exit Celtic Folk und deshalb hat man auf das Celtic Folk diesmal verzichtet, man hört es ja beim ersten Takt schon raus. Um das, was da passiert, zu verstehen, hilft es ungemein, sich gedanklich in einen Irish Pub zu versetzen. Und wer von uns hat nicht seine Jugend im Irish Pub seines Vertrauens verbracht und verzweifelt versucht, sich mit Guiness anzufreunden. In meinem Fall hieß der Laden “Slainte” und war Programm. Die Challenge war, den Smiley im Guiness Schaum bis zum Ende unversehrt zu trinken. Ohne Strohhalm. Und im Hintergrund lief Musik, so wie die von Green Exit. Geschichten vom Meer, von der guten Butter und natürlich betrunkenen Matrosen. Eben Irish Folk.
Haben wir schon alles gehört in der Drehleier? Bis heute dachte ich, Ja. Aber es gibt doch immer noch Überraschungen im MuSoC Song Slam. Wer sich erst im dritten Act dazu schaltet, möchte verdutzt am Radioknopf drehen und AFN suchen. Da sind jetzt einige Dinge im Satz, die den Millennials nichts mehr sagen: Radio, Knopf, AFN. Radio vielleicht noch, aber dann ohne Knopf und AFN? Tja, AFN spielt eben beides, Country und Western. So auch Lucy Love Haman, gekommen um Deutsch zu lernen und geblieben um Musik zu machen. Contemporary Soul? Für mich klingt “Jar” mit der klaren Melodie, dem sparsamen Gitarrenspiel und vor allem dem typischen Countrybruch in der Stimme wie ein typischer Song voll Sehnsucht und der unendlichen Langsamkeit der Weite. Das Country ist groß. Lynchburg ist nicht weit. Und da hat man bekanntlich viel Zeit.
Ein weiterer Stammgast im Song Slam ist Jens, der Saitensound. Storytelling mit Humor und einem Twist in der Geschichte, Herr Bohlmann nennt das die Reinhard Mey Schule. Und auf so manche Geschichte muss man auch erstmal kommen. Natürlich ist der Wunsch, Zeit zu haben für Inspiration, Kreativität oder auch nur Müßiggang, absolut nachvollziehbar. Einmal raus aus dem Hamsterrad. Keine Termine. Genauso geht es dem Lebkuchenteig. Habt Ihr nicht gewußt? Ich auch nicht. Ein guter Teig muss 2 Monate ruhen, 60 Tage reifen, im Kühlschrank. Erst dann wird er weiterverarbeitet zu Lebkuchen. Das klingt schon nach einem interessanten Lebensplan. Hat nur leider 2 Sollbruchstellen. Erstens, der Teig liegt im Kühlschrank, da wäre es mir zu kalt. Und zweitens wird nach den 60 Tagen der Teig zu Lebkuchen verarbeitet, im Ofen gebacken (da wäre es mir wiederum zu warm) und dann gegessen. Und bevor ich gegessen werden will, bleibe ich doch lieber noch ein Weilchen im Hamsterrad. Bis zur Rente zumindest.
Münchner Schule ist der Name der Band von Marten, Christian und Flo und zwar deshalb, weil es mal eine Hamburger Schule gab. Also klar, es gibt heute immer noch Schulen in Hamburg, auch wenn man dort für das Abi bekanntlich nur anwesend sein muss (Grüße gehen nach Bremen und NRW), aber das ist hier gar nicht gemeint. Es geht vielmehr um eine Musik-Ära, die in Hamburg der 80er und 90er stattfand und geprägt wurde durch Tocotronic, die Sterne, Blumfeld, Kettcar und die ganze van Cleef-Bande, und wo wir gerade dabei sind gehen natürlich auch besondere Grüße an Dirk Darmstaedter. Als einer, der das ganze vor Ort Live und in Farbe erlebt hat und bis heute immer noch auf Kettcar Gigs geht, war ich gespannt auf die Variante aus München, 30 Jahre später. Und Ja, der schleppende Gesang, das Arrangement und der Wortwitz erinnerten schon arg an damals. Und die Mundharmonika irgendwie auch.
Voll auf der Bühne wird es nun mit Funkenflug. Das Quartett mit fünf Mitgliedern fängt ganz langsam an und brennt dann aber auf der Bühne ein wahres Feuerwerk ab. Da fliegen die Funken. Mit Kontrabass, Geige, Gitarre und zweistimmigen Gesang erfreut uns Funkenflug mit hübschen Storytelling, zunächst über das immer wieder lohnende Sujet der Dating Apps im Universum der Sozialen Medien. Laut Beschreibung ist Folk, Gypsy Swing und Pop drin, vor allem aber Virtuosität und Vielschichtigkeit. Zuweilen treibt uns die Fidel wieder in die Südstaaten. Stimmt ja auch irgendwie. Südlicher als Drehleier geht’s ja auch nicht mehr in Deutschland.
Was macht man, wenn man eine kreative Songwriterin ist und zum Beispiel Solveig Goldwurz heisst. Man akronymisiert sich zum Beispiel in So Gold. Unser letztes Goldkehlchen heißt zwar nicht Goldwurz aber dann doch so, dass “So Gold” perfekt passt. Gold passt übrigens auch super zum Nachnamen Schierbaum, man muss nur 10 Buchstaben auswechseln. Aber das ist noch nicht alles, denn aus Zufällen, die das Universum spielt, ist So Gold auch noch die Schwiegertochter vom Klassenlehrer des Herrn Sebastian. Mathe und Erdkunde. Und der ist auch noch im Publikum an diesem Abend. Wahnsinn. Ein emotionales Wiedersehen. Die junge Singer-Songwriterin aus Regensburg begleitet ihre gefühlvollen Balladen in Englisch am Klavier und spielt die Songs “Drowning” und “In between” hintereinander weg auf 6 Minuten abgestimmt.
Am Ende der acht Acts, aufgrund von Gründen heute mal sieben, ist aber auch eine schöne Zahl, am Ende der Acts ist am Anfang der Pause, in der im Saal und auch online abgestimmt werden kann. Was wird uns die Auszählung bringen, heute das erste Mal voll automatisiert. Hier werden wir eine ganze Weile auf die Folter gespannt.
Und der Countdown der letzten drei wird feierlich enthüllt. Aufs Treppchen geschafft haben es So Gold, die Münchner Schule und der Funkenflug. Der zweite Teil beginnt, denn alle drei dürfen noch einmal ran und nun ohne Druck ihre Zugaben geben. Die Pflicht ist getan, die Abstimmung durch, der Drops ist gelutscht, man ändert nichts mehr durch diese Zugabe. Wir machen es hier nicht künstlich länger als nötig, zumal man bei Texten und Büchern ja auch von hinten anfangen kann und dann eh schon alles weiß. Wer macht sowas noch, außer mir? Am Ende landet Funkenflug auf Bronzerang und verdient sich den Prostpreis, diesmal fünf Kurze. Und dann spielen So Gold und die Schule noch einmal um die Gunst des Publikums. Die Chance, das Ergebnis zu drehen oder zu bestätigen mit 10 Zusatzpunkten aus dem Applausometer. Auch wenn So Gold das Publikum bei ihrem Bühnendebüt hinter sich hatte, so konnte die Münchner Schule doch insgesamt das Voting für sich entscheiden. Und das bedeutet: Sieger des 95. MuSoC Song Slams ist die Münchner Schule. Wir freuen uns riesig, auch natürlich posthum für die Hamburger Schule und hoffen, dass diese Band mit ihrem Beispiel noch Schule macht. Der Beginn einer neuen Ära in München? Es wäre ein weiteres Beispiel, dass Karrieren in der Drehleier beginnen oder den Boost erfahren.
Ein großartiges LineUp ist am Ende. Es wartet die Creme de la Creme 2025, Gewinner, Zweitplatzierte und Nachrücker auf Euch in der legendären MuSoC Champions Nacht, in der der Jahresgewinner ausgespielt und sich der Studiotag verdient wird. Kommt alle am 11. Dezember in die Drehleier, streamt Euch rein, voted und unterstützt Eure Lieblingskünstler. Wir treffen uns wieder, am 11. Dezember 2025.
Photos: Abraham Shoutsider (außer Abraham Shoutsider: alex sebastian)