Zierlicher Wuschelkopf schlägt alternative Rocker
Von: Nadine Reißig
Der Frühling ist da! Gerade rechtzeitig zum 47. Song Slam im April segnet uns der liebe Petrus mit wunderbar warmen Temperaturen, und obwohl ich die Münchner Musik- und Textbegeisterten eigentlich beim Flanieren auf der Leopoldstraße wähnte, war unsere geliebte Drehleier an diesem Abend dann doch wieder rappelvoll bis fast an den Rand.
Genauso motiviert wie die vorfreudigen Gäste war auch der ein oder andere Musiker der sich am gestrigen Abend spontan bereit erklärte, die Bretter von Haidhausen zu besteigen da es leider doch zu dem ein oder anderen Krankheitsfall gekommen war.
Somit startete der Abend direkt mit einem Überraschungs-Opener, bzw. einer Überraschungs-OpenerIN, nämlich Sonja Zajontz, die sich kurzfristig direkt von der Kasse ran an eine Gitarre und auf die Bühne schwang. So stimmte uns die sympathische Niederbayerin mit Texten über Goldgräber, die in einer Schatzkiste voll Glück graben, und Geschichtenerzählern, die keine Feder zum Schreiben brauchen und frei von der Leber erzählen, auf den Abend ein.
Als erste Teilnehmerin trat dann ebenfalls eine kurzfristige Nachrückerin, und sogleich auch die Gewinnerin des Abends auf die Bühne (ihr merkt, heute rolle ich das Feld mal von vorne auf): Cindy Marietta. Diese hübsche und zierliche junge Dame, die unter ihrem langen Wuschelpony quasi zu verschwinden scheint, bringt ihre Kunst eigentlich als Straßenmusikerin unter die Leute. Vermutlich werden wir sie ab sofort auf der ein oder anderen Bühne erwischen denn mit ihrer unerwartet kräftigen, vielseitigen Stimme hatte sie uns sofort gefangen. Neben eigenen, englischen Texten, schenkte sich uns auch die Cover-Songs „Free Fallin“ und wunderschön und herzergreifend: „Wish you were here“ von Pink Floyd.
Ein heißes Kopf-an-Kopf rennen lieferte sich Cindy Marietta übrigens mit der erst Anfang des Jahres gegründeten Männerband The Foofs, die heute den zweiten Platz ergatterten. Die vier feschen Kerle (mit übrigens eigens angereistem Fanclub), verteilt auf Gitarren, Bass und Cajon, standen gestern zum erstenmal vor einem Publikum bzw. überhaupt auf der Bühne und sollten das bitteschön gern öfter machen. The Foofs performen soliden Alternative Folk-Rock auf Englisch, welchen sie gestern in Form von Balladen aus akustischen Instrumenten vortrugen. Tolles Gitarren-Solo by the way! Von gefühlvoll bis rockig, sie haben uns wirklich alles gegeben und können das auch.
Leon Diwas ist nach eigenem Statement ein „unbeschriebenes Blatt“, hat (somit wohl aus Versehen) schon eine eigene CD („Lichter“) herausgebracht und ist eigentlich gar kein Musiker. Dafür klang allerdings was er uns so lieferte ganz schön professionell und sehr durchdacht und genau dafür hat er auch den dritten Platz des gestrigen Abends abgeräumt. Leon Diwas singt deutsche, schnelle Texte mit noch schnellerer Gitarre und motiviert uns mal zu „zeigen, dass man lebt“ und zu hinterfragen was unser Herz schlagen lässt und was uns den Verstand raubt. Geschickt hat er auch eine Melodiefolge aus diesem bekannten Song von Bob Dylan eingebaut… Chapeu, Herr Diwas!
GUEST des Abends war der Kabarettist Calippo Schmutz, der uns mit auf einen Ausflug in sein Leben als Münchner Schauspieler, als Akteur im Rampenlicht, mitnahm und uns im zweiten Teil noch einen Text zu den Langzeitwirkungen von Smartphone-Nutzung vortrug. Dann warten wir mal ab ob wir in 20-50 Jahren wirklich alle Wurschtfinger habe und mit Trillerpfeifen kommunizieren weil sich das Sprachorgan bis dahin zurück gebildet haben wird.
Ganz und gar wunderbar sangen und spielten gestern auch die ganzen anderen Künstler für uns! Da waren nämlich: Daniela Welter, eine junge Frau mit Gitarre und Ringelkleid, die in ihrem gefühlvollen Song einen Weg zu finden versuchte, um einem Menschen nah zu sein der nicht mehr da ist; Elle A. (Lena Kretzschmar), das Energiebündel Anfang Zwanzig mit der Wahnsinns-Stimme die sich selbst so toll am Klavier begleitet hat und das, obwohl sie gar nicht mit einem Auftritt gestern gerechnet hatte sondern ursprünglich Publikumskarten hatte; Tobias Sasse, der jedem empfiehlt einfach auch „Tobias Sasse“ zu sein und uns gestern als Duo mit einem Song über die Sehnsucht begeisterte; Attila Vural, ein Gott an Gitarre und (.. Baby-Gitarre? Vermutlich Mandoline…), gebürtiger Schweizer dessen Musik man auf seiner CD „A Tribute to Dominic Miller“ immer und immer wieder hören kann; Eilert & Jakubik, geballte Kompetenz an Gitarre und Querflöte, spielten, einer barfuß und einer nach Noten, mit viel Witz, toller Rhythmik und ja… einfach ziemlich schön.
Als „Zuckerl“ des Abends unterhielt uns Michi Bohlmann noch wunderbar mitreißend mit seinen Liedern darüber, dass das Leben ein Roulette ist und dass man manchmal einfach nichts mehr ändern kann, wenn der „Kas scho bissen“ ist.
Und Alex Sebastian schnappte sich spontan den Slam-Teilnehmer und Gitarrenkönig Attila Vural. Die beiden boten uns eins der wohl schönsten Sting-Cover, die (und ich spreche hier einfach mal für alle) wir seit langem gehört haben: Shape of my heart. Ich schmachte noch immer…
Die Reihen lichteten sich langsam und als ich leider schon den Heimweg antreten musste, waren die meisten Tische noch besetzt mit Musikern, Freunden und einfach glücklich und zufriedenen Zuhörern die den Abend noch einmal Revue passieren ließen. Es ist schön zu wissen, dass man hier in der Drehleier bei Alex und Michi immer gut aufgehoben ist und es so viele gute Musiker gibt denen wir lauschen dürfen. Wer also am 10. Mai noch nichts vorhat und sich ein bisschen kultivieren möchte, kommt bitte wieder zum MuSoC! Man sieht sich dort… 🙂