Conny Berger teilt ihre – nicht jugendfreien – Erfahrungen und wird 90. Musoc Champion

Moderierte nicht das Oktoberfest an: Michael Bohlmann

Bis zur achten Zeile des Vorwärmtexts von Michael zu diesem Songslam dachte ich ja zunächst, es würde ums Oktoberfest gehen. Aber Obacht! Die Locals unter Euch wissen natürlich zwei entscheidende Dinge: erstens heißt es “Wiesn” (mit einem E) und zweitens findet es meistens mehr im September denn im Oktober statt. Aber mal ehrlich: wie bitteschön klänge das Wort “Septemberfest”? Irgendwie komisch. Am Ende handelt Michaels Text dann gar nicht vom Septemberfest aka Oktoberfest. Denn natürlich ist München viel mehr als sinnloses sich-vollaufen-lassen in cringe cosplay outfits. München ist Subkultur, ist Musik, ist feinste Singer-Songwriting Tradition. München ist Drehleier und Musoc Songslam. Who cares about Oktoberfest? No sleep till Musoc! Und nach der Sommerpause und vor der Wiesn ist es endlich wieder soweit: an diesem Donnerstag zaubert die Drehleier wie fast immer zwei weirdos auf die Bühne, die wieder von Hähnen faseln und von Studiotagen und von Jahreschampions und das schon zum 90. mal.

Gastgeber Michael Bohlmann und Alex Sebastian

Ist der Musoc Songslam also schon so alt wie Miss Sophie? Herr Bohlmann stellt es richtig. Nicht 90 Jahre Songslam, aber der neunzigste (in Worten) Abend wird hier auf der Bühne gefeiert, minus der coronabedingten Online Abende, an diesem 12. September im Jahre 24. Bohlmann und Sebastian, die beiden Meister aller vorstellbaren Katastrophen, die so eine komplexe Veranstaltung bieten kann, surfen gekonnt um die 8 Acts herum – bis der Hahn kräht. Und die zuletzt getätigten verzweifelten Aufrufe nach mehr weiblicher Songwriter Beteiligung haben gefruchtet. Deshalb begrüßen wir heute in der Vorrunde 4 Herren und 4 Damen. Die Chips sind in der Schüssel, das Bier ist kalt, der Stream läuft auf dem Fernseher und los geht’s.

Unsere erste, Mia Hermann hat einen im Musoc Universum legendären Jedi-Meister-Songwriter als Lehrer. Kein geringerer als Ryan Inglis, der Musoc Champion des Jahrzehnts, ach was, des Jahrhunderts ist der musikalische Anleiter von Mia. Zum 90. Musoc Songslam ist das Repertoire nun so weit gediehen, dass wir sie endlich auf unserer Bühne begrüßen dürfen. Zusammen mit Regina als zweitstimmliche Unterstützung singt Mia von Beziehungsthemen und dass sie am liebsten mal nicht zuhört.

Samy Rakete ist zwar kein Jimmy oder Johnny, macht seinem Namen aber trotzdem alle Ehre. Mit Raketenpower bringt er seinen ersten Song so zeitig zum Ende, dass es für einen zweiten reicht. Seine Songs lohnen des genauen Zuhörens, lernt man doch, dass sinnfreie Reime eben immer noch Reime sind und, äh, sich reimen. Würde z.B. der Montag zu Samy sagen: “Ich freue mich auf Deine feinen Reime?” Das muss man für sich selbst entscheiden. Sind Aale und Wale reimlich miteinander verwandt? Ist Bruce Willis nur im Text, weil er der Schakal ist? Nicht lange nachdinken, Rum mit Coca Cola drum’rum trinken.

Auf Startnummer Drei sehen wir Conny Berger auf unserer Bühne, die sich intensiv mit Datingplattformen beschäftigt hat. Nach einer Trennung wollte Conny mal wieder jemanden kennenlernen, legitimes Anliegen, und hat sich der digitalen Suche gewidmet. Fehler! Denn nach dem übermäßigen Genuss von Tinder und Co. brauchts eine Therapie. Aber Therapeuten sind meistens überbucht, weshalb Conny sich für therapeutisches Songwriting entschieden hat, denn es muss einfach raus. Aber Achtung Jugendschutz! Darf man sowas vor 23 Uhr eigentlich bringen? Nur so viel: es geht um Dick Pics, unter anderem. Wen es interessiert, der springe bitte im Stream auf Conny Berger. Aber bitte erst nach 23 Uhr.

DannyURocks geht als Vierter auf die Bühne mit nichts weiter als seiner Gitarre und seinem iPad. Da drin ist alles was er braucht: eine Loop Station (die kann so Sachen endlos wiederholen), Drums (die können drummen), herunterfallende Blechdosen (die können scheppern) und vieles mehr. Die Blechdosen sind wahrscheinlich eher meinem PC Lautsprecher geschuldet. Oder Youtube. Oder beidem. Sein hier im Songslam erster live geloopter Instrumentalsong, Harmonic E-minor, ließ aufblitzen, was Danny in seiner eigenen Vita schon erwähnte: eine gewisse Hingabe zu Carlos Santana. Der zweite Song übrigens auch. Das kann ich aus eigener Betroffenheit sehr gut verstehen.

Als nächstes auf der Drehleier Bühne erscheint Stefy, mit einem S, einem F und einem Ypsilon – und übrigens auch jeweils nur einem T und einem E. Ich sitze ja wie bereits erwähnt vor dem Youtube Stream und hier wird es nun langsam interessant. Denn Stefy bringt den Youtube Chat langsam auf Betriebstemperatur, da draußen im Äther gibt es aktive Stefy Fans, die sie jetzt digital anfeuern. Ihr erster Song ist ein Liebeslied und fordert die auserwählte Person dazu auf, sie aufzufordern. Tanz mit mir ist mal eine klare Ansage. Wie alle vor ihr hat auch Stefy nach dem ersten Song noch etwas Zeit auf der Uhr, vermeintlich zuwenig für einen kompletten zweiten. Doch sie schafft es. Ihr zweiter Song hört genau mit dem Hahn auf.

Auch beim Musoc Songslam gibt es immer wieder Neues. An eine französische Chansonette kann ich mich persönlich auf unserer Bühne nicht erinnern. Aber das kann auch daran liegen, dass ich erst seit dem Songslam #14 dabei bin. Laura Dee tritt auf und geht zum Klavier. Ganz sicher bin ich mir allerdings, dass es diese Kombination hier noch nie gab: Laura auf deutsch, Dee auf englisch, Gesang auf französisch. Und noch was neues: Laura, Wahlberlinerin, ist zum ersten Mal in München auf einer Bühne. Und sie verzaubert das Publikum. Laura rühmt sich, das wohl traurigste französische Chanson, das überhaupt existiert, auf dem Markt zu haben. Nur die Crux mit französischen Chansons ist halt immer: auch die traurigsten Lieder klingen immer irgendwie schön, nach Paris, nach Amour und Savoir Vivre. Merci beaucoup, Laura, pour cette belle soirée. Très gentile.

Häufig kommt es im musoc zu harten Übergängen. So auch an diesem Abend. Die Zuschauer schwelgen gerade noch in Gedanken im Pariser Caféhaus und werden dann hart in eine Münchner Bar gebeamt. Eben dort, in irgendeiner Münchner Bar, hat irgendwann mal irgendjemand gesagt, daß Goblin, unser nächster Act, der wohl technisch begabteste Rapper in München sei. Näheres ist uns nicht bekannt. Aber Grund genug, um mal genauer hinzuschauen und hinzuhören. Und siehe da, das Outfit stimmt (bitte selber nachsehen), die Beats spielen sich erste Sahne ein und Eddy comes eindeutig over. Es geht um Killer instinct, es geht um Eddy und es geht um viele Worte in kurzer Zeit. Der Streamchat auf Youtube ist begeistert und brummt. Rap ist hip. Immer noch.

Zum Schluss stellt Bohlmann uns eine wichtige Frage: Wer ist dieser Widergrollen? Ein Münchner Junge mit einer Gitarre. Und erneut haben wir es mit einer musikalischen Form zu tun, die es selten bis gar nicht in den Musoc Song Slam geschafft hat. Denn Widergrollen singt nicht, sondern rezitiert seine Texte zur Gitarre. Vielleicht die Urform des Rap. Und man sollte hinhören. Die Texte sind extrem dicht und sein erster Beitrag, der alte Sack, ist ein Ausblick auf sich selbst in der Zukunft. In deutlichen, gar zornigen Worten sind dies Gedanken eines jungen Mannes darüber, was er als alter Sack so gar nicht werden will, aber wahrscheinlich wird. Es lohnt sich, mindestens zweimal hinzuhören, es gibt im Text viel zu entdecken. Geht ja im Youtube Stream.

Nach der Pause nun steht die Finalrunde fest: Mia Herrmann, Conny Berger und Stefy können die meisten Stimmen auf sich vereinen. Und es braucht natürlich Zugaben auf diesem Gang aufs Treppchen: Mia macht zusammen mit Regina den Kopf aus. Conny nimmt Abschied. Und Stefy will nicht, daß wer geht.

Fast geschafft: Platz 3 für Mia Hermann und Regina

Aber Stefy selbst muss auch noch nicht gehen, kann noch eine Runde bleiben. Denn Conny und sie kommen unter die letzten Zwei. Mia Hermann und Regina haben es auf Platz 3 fast geschafft, stauben den Prostpreis ab und machen die Bühne noch einmal frei für die zwei finalen Finalistinnen.

Nach zwei weiteren Zugaben und 10 Applausometerpunkten für Stefy poppt nun endlich das langersehnte Ergebnis auf der Leinwand hinter der Bühne auf: Gewinnerin des 90. Musoc Song Slams ist Conny Berger. Überwältigt und glücklich sind beide, denn beide sind für das Finale im Dezember qualifiziert. Und Conny muss nun doch noch das zweite Lied aus der Vorrunde zuende spielen. Denn alle im Saal wollen wissen, wie das Erlebnis auf der Dating App mit der O***** zuende geht. Und es ist immer noch nicht 23 Uhr.

Der 90. Musoc Song Slam hatte es wieder in sich. Frauenpower und großartige Siegerinnen schreiben sich in die Annalen der musoc Geschichte. Mehr davon. Kann man auch haben. Denn am 7. November findet der 91. Song Slam statt, natürlich in der Drehleier. Bitte kommt alle, in der Drehleier ist es viel gemütlicher an einem Novemberabend in München als sonstwo.

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