Franzi Koko for Chancellor – Erdrutsch am 92. MuSoC

Gastgeber Michael Bohlmann & Alex Sebastian

Zum 20. Februar 2025 war bis eben nicht sooo viel zu sagen. Heinz Erhardt wird heute 115 Jahre alt. Es sind noch kurze 3 Tage bis zur Bundestagswahl. Oder lange 1356 Tage bis zur nächsten US-Wahl. Aber um 20 Uhr ändert sich quasi alles, es ist MuSoC – Munich Song Contest. Zum 92. Mal. Trotz umherschwirrender Viren und Erkältungen sind die beiden Gastgeber im Haus. Und auch die abwesenden Bird Cocaine aus München sind wegen Rücken nicht an Bord und nicht wegen Schnuppen.

Den Abend eröffnet Lisa Fitzek. Die Freisingerin aus München, äh, nee, andersrum, ist ein großer Irlandfan. Und sie gehört zu denjenigen wenigen, die einem sicheren Verderben im irischen Moor von der Schippe gesprungen sind. Und so steht heute eine leibhaftige Lisa und keine Moorleiche auf der Bühne und singt uns ihr Erlebnis therapeutisch zur fingergepickten Gitarre in der Drehleier vor. Im zweiten Song fordert sie zum Durchhalten auf, wahrscheinlich noch 1356 Tage.

Von Freising nach Erding geht die Reise für den zweiten Act. Ein großer Sprung für den MuSoC, ein kleiner Schritt für den Kellerbua. Ebenfalls mit der Gitarre um den Hals, singt der Bua nicht in Englisch sondern eher so: Kaffa kannst nid ois. Womit er Recht hat. Was man jedoch kaufen kann, ist seine CD. Zum zweiten Song Lebensfeuer leuchten die Handys im Publikum. Was waren das noch Zeiten als man das mit Feuerzeugen gemacht hat bis die Daumen verkohlten.

Ich habe ja eigentlich beschlossen, keine Kommentare mehr über die Moderationswitze von Herrn Bohlmann zu schreiben, aber heute sind sie besonders gut. Vor allem thematisch extrem passend. Denn aus Erding kommt nicht nur der Kellerbua sondern auch das Kellerbier – wie Herr Bohlmann vormoderiert. Und wenn der Herr Bohlmann so etwas vorlegt, dann muss der Herr Sebastian das auch versenken. Denn der nächste Act, Jungwirth, kümmert sich mit Hingabe ebenfalls um eben jenes Sujet. Und das nicht nur als junger Wirt (jaja, ich bin auch nicht besser), sondern vor allem als Tourmusiker einer Tour mit dem treffenden Namen “Therabiertour.” Und das ist das Leitmotiv vom Jungwirth. Denn wenn’s kein Bier mehr gibt, macht man komische Sachen. Wasser trinken zum Beispiel. Geht eigentlich gar nicht. Aber dafür gibt’s den Biernotdienst. Und der Jungwirth, der weiss sowas. Der regelt das dann schon.

Unser vierter Act auf der Bühne, Jens, der Saitensound, ist ein Storyteller alter Schule. Ich verstehe, was der Herr Bohlmann meint, wenn er an Reinhard Mey denkt. Das Lied Piet (oder Pete?) verarbeitet die vielen Gitarrenstunden und die Liebe zum Flamenco, die offensichtlich vom Flamenco nicht so erwidert wird wie erhofft. Aber eigentlich gehts um denjenigen, der dem Saitensound das Flamencieren beibringen wollte. Die zweite Geschichte vom Freibad konnte Saitensound leider nicht zuende bringen. Vielleicht ja in der Endrunde?

Mit unglaublich vielen Songs im Gepäck, die sie noch nie spielen konnte, weil sie einfach zu beschäftigt ist, kommt Franzi Koko dann doch endlich mal auf die Drehleier Bühne. Der erste Song jazzt sich halbresonant durch die Verstärker und handelt von einer Kubareise, folgerichtig betitelt Havanna. Für viele ein echter Trigger für Reisesehnsüchte. Und deshalb gibt’s mit einem zweiten Song über Italien noch einen drauf. Sehr lässig, sehr jazzig, und stilistisch viel zu selten bei uns. Schlauerweise hat Franzi auch ihren Support im Publikum mitgebracht, das hört man sogar in Hamburg am YouTube Stream.

Water and Stone. Was mag das bedeuten? Der Herr Bohlmann hat’s gecheckt. Denn stetes Wasser höhlt nunmal den Stein. Oder man heißt einfach John Water und Matthew Stone. Wir hören ganz feines Singer-Songwriting in Englisch und mit einem klitzekleinen Schuss Scott Stapp, schön durcharrangierter Gitarrensongwritingfolkrockpop, und das alles weil sich zwei mal zur Abwechslung nicht zum Bier sondern zum jammen getroffen haben. An diesem Abend kam zwar nur der Water der beiden, aber sein Song Set it right macht einfach Lust auf mehr, vielleicht ja mal auf beide zusammen im Munich Song Contest.

Zum Abschluss der Runde sind wir musikalisch wieder in Irland. So schließen sich Kreise. Typisch keltisch geht es zur Sache bei dem Duo Green Exit Celtic Folk. Dieser Name!? Grün ist klar. Celtic auch. Folk sowieso. Aber dann wird’s schräg. Wieso Exit? Das waren doch die Briten. Also, ich glaube ja, den Exit haben die beiden nur in ihren Bandnamen reingeschraubt, damit man sich bei der Ansage verhaspelt. Kluger Schachzug. So bleibt man im Kopf. Der erste Song ist ein klassischer Pubsong über eine Meerjungfrau, was sonst. Mit Flöte. Der zweite Song geht zunächst spanisch los und läuft dann mit Rahmentrommel und sehr keltisch weiter. Das Publikum fordert schon Zugabe. Ein Fingerzeig für die Abstimmung?

Und das sind dann auch schon die 7 Acts des Abends. Eine Band konnte ja aufgrund von Bandscheibe nicht dabei sein, an diesem historischen Abend des 92. MuSoC, Münchens einzig wahrer Songslam.

Wir alle fiebern dem letzten Teil des Abends entgegen. Alle Stimmen sind gezählt, alle Zuschauer sind gespannt, die drei erstplatzierten Acts dürfen noch Zugaben geben. Diese sind Jungwirth, Franzi Koko und die beiden Exit Folk Green Celtics, Nein, Celtic Folk Green Exits, ach, schaut einfach selber nach. Jungwirth sägt sich mit dem Fichtenmopped durchs Unterholz, die zwei grünen Kelten singen was auf eirisch-beirisch und Franzi heißt die jungen Zwillinge ihrer Freundin auf der Welt willkommen.

Am Ende gibt es den verdienten Prostpreis für Green Exit Celtic Folk für den dritten Platz und hoffentlich viele neue Besucher in den Irish Pubs der Gegend wenn die beiden Auftreten. Traditionell gibt es noch ein Applausometer für die beiden erstplatzierten Franzi und Jungwirth, das Franzi für sich entscheiden kann. Konsequenterweise. Denn sie liegt auch in der “popular vote” ziemlich weit vorne und gewinnt den Abend mit saaagenhaften 130 Punkten vor Jungwirth mit 41 Punkten. Soviel zur Testwahl drei Tage vor der Bundestagswahl. Franzi for Chancellor.

Franzi Koko hat nun nicht nur einen neuen Künstlernamen gewonnen an diesem Abend, sondern auch den 92. Munich Song Contest. Und wir jubeln und beglückwünschen Franzi für diesen tollen Erfolg. Im Dezember sehen wir sie – und Jungwirth – dann hoffentlich wieder.

Für den 93. Munich Song Contest merkt euch den Termin vor, 24. April, meldet Euch an, kommt in Scharen und singt und tanzt und spielt, als ob es keinen Morgen gibt.


Alles Fotos: Benjamin Händel (benjaminhaendel.de)

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