“More of a kind” und Susanne Stöhr gewinnen den 71. Song Slam

Acht Künstler aus ganz Deutschland haben am 71. Song Slam teilgenommen. In einem durch die Bank starken Feld behaupteten sich am Ende das Duo “More of a kind” und die Singer-Songwriterin Susanne Stöhr im Zuschauer-Voting. Der international erfahrene Berufs-Musiker Enrico Coromino und Musik-Gourmet Lars Hansen gaben den Teilnehmern wertvolles Feedback, und Studio- und Schlagzeuger-Legende Jerry Marotta schickte eine Video-Grußbotschaft aus Woodstock, um die MUSOC Dreamland Woodstock Challenge anzukündigen, welche am 25. April 2021 in die erste Runde geht.

Die Möglichkeiten, Musik aufzuführen, sind weiterhin beschränkt. Doch es entwickeln sich neue Wege, Kunst darzubieten. Viele dieser Innovationen sind deutlich mehr als nur eine Notlösung – Veranstalter und Musiker beginnen, den Mehrwert der neuen Kanäle für sich zu entdecken. Der 71. Song Slam ist dafür ein gutes Beispiel: das Event ist endgültig vom lokalen zum überregionalen Treffpunkt für aufstrebende Künstler geworden, mit Teilnehmern aus Mannheim, Berlin, Thüringen und Baden-Württemberg. Auch die eingereichten Beispiele sind inzwischen viel ausgefeilter als nur ein Handy-Video mit Akustik-Gitarre am Küchentisch: Loop-Stations, E-Gitarren, Videofilter, dezente Overdubs und ein generell besserer Sound als in den vorhergehenden Song-Slams bewiesen, dass die technische Erfahrung damit zunimmt, wie man im Lockdown seine Show in die Welt streamt.

Gleich zu Beginn legte Dominik Wrana mit seinem Song “Burn down bridges” die Latte für die nachfolgenden Acts hoch. Mit seinem musikalischen Partner Thomas Gaddum bot er einen Song über Veränderung, der sich durch solides Songwriting und ein fehlerfreies Gitarrenspiel auszeichnete. Eine Tabakpackung auf dem Retro-Tisch und die Whiskey-Flasche im Hintergrund gaben der rauen Atmosphäre des Liedes den passenden optischen Rahmen – ein Beispiel dafür, dass man auch unter begrenzten räumlichen Bedingungen durch Kleinigkeiten ein stimmiges Video aufnehmen kann.

Diese Lehre hatte sich auch Louise zu Herzen genommen, die ihr Eingangs-Interview mit einem Globus und einer Gitarre gab, und damit vielleicht ihren Anspruch unterstrich, ihre Musik aus ihrem Zuhause in die ganze Welt zu bringen. Als “Former Child” (so der Name ihres Projekts) demonstrierte sie mit ihrem Song “Illusionist World” nicht nur, wie man eine Loop-Station effektiv einsetzt, sondern auch, wie man den neuen technischen Spielraum nutzt, den die neuen Lockdown-Regeln des Song Slams den Künstlern einräumen. Former Child setzte ihre Kombination aus Vocals, Gitarre und Synthie effektiv und kurzweilig ein.

Auch die späteren Sieger “More of a kind” nutzten die neuen Regeln aus und kombinierten die traditionelle Akustik-Gitarre mit dem Rock’n’Roll-Instrument schlechthin, der Fender Strat. Ihren Song “Abyss in paradise” boten sie geübt und professionell dar, und gaben dem gefälligen Gesang und dem tighten Gitarrenspiel den Raum sich zu entfalten. Erfahrene Gitarristen werden die minimalen Probleme in der Stimmung bemerkt haben, die sich beim Einsatz eines Kapodasters und der Verwendung von Strats für Akustik-Arbeit ergeben, doch der störende Effekt war minimal, und der erste Platz für “More of a kind” absolut gerechtfertigt.

Ein erfahrener Gitarrist ist auch DobBroMan, der mit seinem Song “Beautiful Son” den undankbaren dritten Platz ergatterte. Sein schwarz-weiß gehaltenes Video war sichtlich eine gute Wahl, um das Western-Feeling der Musik zu transportieren, beständige langsame Zooms belebten das Bild, der Sound war erstaunlich klar, die Darbietung routiniert. Er spielte seine Dobro-Gitarre mit Bottleneck, was eine rhythmisch prägnante, ausdrucksstarke Alternative zur überstrapazieren Western-Gitarre darstellt.

Auch “Since April” hatten ihr eingereichtes Video sorgsam in Szene gesetzt. Die Veteranen des MUSOC Song Slams (zum ersten Mal im November 2019 auf der Bühne der “Drehleier” mit dabei) stellten ihre neue Besetzung vor. Ihr Song “Irreplaceable” zeugt vom Potential, den das neue Line-Up in sich birgt. Es bleibt zu hoffen, dass sie ihre Begeisterung für den Song Slam behalten und das Publikum die weitere Entwicklung ihrer emotional geladenen Musik miterleben darf.

Den einzigen auf deutsch gesungenen Song lieferte der nächste Teilnehmer, “Nepumuk”. Seine Ode an die moralische Resilienz “Besser erheitert, wenn man scheitert” bot Sprachgefühl und Humor auf der soliden Basis eines Bossa, vorgetragen auf Akustikgitarre und einem Minimal-Percussion-Set.

Den vorletzten Act des Abends bot Marlene mit ihrem Song “I will leave”. Auch sie deutete mit einer Weltkarte im Hintergrund den Flair eines Weltenbummlers an und ihre Musik vereinte Elemente aus irischem Folk und US-Soul. Mit strahlender Bühnenpräsenz bot sie einen kurzweiligen Auftritt, der mit dem vorletzten Platz etwas ungerecht bewertet ist.

Den Abschluss der Vorstellungsrunde des 71. Song Slams bot Susanne Stöhr. Der Gitarrenlehrerin merkte man ihre Erfahrung in zahlreichen Bands an. Mit einem schwarzen Video-Filter effektvoll in Szene gesetzt, lieferte sie mit “Collateral” einen ausgesprochen politischen Beitrag. Rhythmisch und technisch sattelfest, spielte sie sich in der Zuschauergunst auf den zweiten Rang.

Feedbackrunde diesmal mit Gast Enrico Coromines, hier im Video mit Christian Einheller.

Wie bei den Song Slams üblich, wurde die letzte Entscheidung zwischen Erst- und Zweitplatzierten erst noch geheim gehalten, um beiden Raum für eine Zugabe zu schaffen. Doch dann lagen “More of a kind” souverän vorne. Die Zeit bis zur endgültigen Bekanntgabe überbrückten die Juroren Lars Hansen und Enrico Coromino (u.A. Gitarrist für Reinhard Fendrich, Filmmusiker und Gründer Supergain Gitarren-Akademie) mit fundiertem Feedback zu deneinzelnen Auftritten, gefolgt von der Einspielung von “Two Wagons”, einem Song, den Organisator Alex Sebastian und Enrico Coromino gemeinsam aufgeführt (und aufgezeichnet) hatten.

Musoc Host Alex Sebastian mit Enrico Coromines an der Gitarre

Schließlich kam es zur spannungsgeladenen Bekanntgabe des Siegers, inklusive ungeplantem Blackout des Videosignals und einem geplanten Feuerwerk für “More of a kind”. “Ich glaub’ wir haben gewonnen”, kommentierten die beiden ihren Erfolg. Das hatten sie in der Tat, und wohlverdient.

Das Niveau der gestreamten Song Slams steigt von Mal zu Mal, und so sehr sich jeder von uns wünscht, wieder Musik live auf einer Bühne erleben zu können – fast wünscht man sich doch, diese positive Entwicklung einer neuen Präsentationsform weiter zu erleben. Die nächste Gelegenheit bietet sich am 25. April mit der ersten Runde der MUSOC Dreamland Woodstock Challenge

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